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55 Jahre Erfahrung als Bergführer – Hans Berger im Interview |
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«Ich bin sehr dankbar, dass ich so eine spannende Epoche des Alpinismus miterleben durfte» |
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Interview mit Bergführer Hans Berger |
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Seit 55 Jahren ist Hans Berger als Bergführer unterwegs. Im Interview erzählt er, wie er zu diesem Beruf gefunden hat – und wie sich Material und Ausbildung im Laufe der Zeit verändert haben. Er erklärt, was genau eine Lawinenschnur ist, berichtet von seinen ersten Abenteuern in den Bergen und teilt seine Erfahrungen rund ums Alpinwandern. |
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| Du bist jetzt schon über 50 Jahre als Bergführer unterwegs – wie kam es dazu, dass du diesen Beruf gewählt hast?
Als Kind und Jugendlicher interessierte ich mich noch kaum für die Berge. Ich bin auf einem kleinen Bauernhof in Steffisburg aufgewachsen, zusammen mit vier Geschwistern. Mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war – er war damals erst 39. Unsere Familie führte den Hof im Lohnverhältnis, besass ihn also nicht. Als Bauernsohn wäre es kein Problem gewesen, den Hof zu übernehmen, aber ohne Besitz war das keine Option. Mein eigentlicher Traumberuf war nämlich Bauer. |
Hans Berger |
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Später kam ich in eine Pflegefamilie. Die Idee war, dass ich beim Pflegevater in die Baumschule gehe. Ich entschied mich aber für eine Schreinerlehre, die vier Jahre dauerte. Mit 19 war ich ausgebildeter Schreiner.
Finanziell war es eine eher knappe Zeit – Hobbys lagen kaum drin. Es gab damals den sogenannten Vorunterricht, eine Art Vorbereitung auf die Rekrutenschule (RS), vergleichbar mit dem heutigen Sportförderungsprogramm «Jugend+Sport». In diesem Rahmen wurden am Steingletscher Bergsteigerkurse angeboten. Dort kam ich das erste Mal in Kontakt mit den Bergen – wir lernten das Abseilen, Klettern und Sichern. Ich hoffte die ganze Woche, dass wir aufs Sustenhorn steigen würden! Leider blieben wir auf dem Gletscher und in tieferen Lagen. Aber meine Begeisterung für die Berge war geweckt – ich wollte jede freie Minute auf Touren gehen oder klettern!
Mit einem Kollegen unternahm ich bald erste hochalpine Wanderungen und Gletschertouren mit sehr rudimentärem Wissen. Unsere erste Klettertour führte über die Lobhörner. Ich weiss noch: Wir seilten uns im Dülfersitz ab und besassen keine Selbstsicherung. Wenn ich heute daran zurückdenke, ist es fast ein Wunder, dass nichts passiert ist.
Nach der RS setzte ich mir zum Ziel, Bergführer zu werden. Damals gab es keine Aspirantenkurse wie heute. Man löste eine sogenannte Trägerkarte und konnte mit einem Bergführer auf Tour, den Gästen den Rucksack tragen und so Erfahrungen sammeln. Nach zwei Jahren meldete ich mich 1970 für die Ausbildung an. Zu Beginn waren wir über 100 Personen mit Trägerkarte. Die Eintrittsprüfung in Grindelwald bestand unter anderem aus einem Kletterparcours in der Gletscherschlucht. Danach blieben noch etwa 40 übrig. Auch unsere Sprachkenntnisse wurden geprüft – zum Beispiel mit der Frage: «Was heisst Gletscherspalte auf Französisch?»
Und an wie vielen Tagen im Jahr bist du heute noch am Führen?
Im letzten Winter führte ich während sieben Wochen. Ab dem nächsten werde ich etwas zurückschrauben – dann verkürze ich die Tourenwochen auf fünf Tage. Für mich sind die Erholungstage sehr wichtig geworden. Ich tendiere heute eher zu kürzeren Touren. Ich kann es mehr geniessen, wenn ich direkt vom Tal aus losgehen kann – mit leichtem Tagesrucksack. Sicher darf auch mal eine Hüttenübernachtung dabei sein. |
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Wie hat sich deine Arbeit als Bergführer in all den Jahren verändert?
Im Bergführerkurs hatten wir nicht so eine fundierte Ausbildung wie heute – vielleicht haben wir mal einen Flaschenzug geübt, der Fokus lag jedoch mehr auf physischen als auf technischen Aspekten. Der Kurs begann Ende April mit der Eintrittsprüfung, und noch im selben Jahr – nach den Teilen Skitouren, Hochtouren und Klettern – war man bereits Bergführer. Technisch und methodisch war alles viel weniger detailliert als heute.
Auch die Ausrüstung hat sich gewaltig verändert. Einen Klettergurt gab es gar nicht – den hat man sich selbst geknüpft oder einfach ein Seil um den Bauch gebunden. Man ist auch weniger ans Limit gegangen, da ein Sturz meist keine Option war.
Ein anderes Beispiel: Zu meinen Anfangszeiten haben wir mit einer Lawinenschnur gearbeitet (lacht). Die Idee war, dass die Schnur auf dem Lawinenkegel sichtbar bleibt und so den Weg zum Verschütteten zeigt. Die Schnur war 20 bis 25 Meter lang, meist aus roter Baumwolle, und hatte alle Meter einen Richtungspfeil mit Längenangabe.
Heutige Aspiranten beginnen ihre Karrieren oft in Bergschulen, um auf diesem Weg wertvolle Erfahrungen zu sammeln und sich eine Kundschaft aufzubauen. Dies war eine der grossen Herausforderungen zu Beginn meiner Karriere: der Gästestamm musste meist über Mund-zu-Mund-Propaganda und durch Verbindungen im SAC aufgebaut werden. In Davos hatte ich Glück: Über die Berg- und Skischule habe ich Gäste kennengelernt, die jedes Jahr wieder mit mir unterwegs sein wollten. So ist mit der Zeit ein fester Kern zusammengekommen. Ein Gast war über 30 Jahre lang mit mir auf Tour, jeweils sogar einen ganzen Monat. Wir waren zusammen in Zermatt, im Bergell – überall.
Früher fanden kaum Skitouren- oder Kletterausbildungswochen statt. Man ist mit dem Gast einfach auf Tour gegangen. Heute sind die Gäste kritischer, wollen verstehen, wie etwas funktioniert – und selbst Verantwortung übernehmen.
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| Dieses Jahr feiere ich 55 Jahre als Bergführer! Ich bin sehr dankbar, dass ich so eine spannende Epoche des Alpinismus miterleben durfte.
Du warst über 30 Jahre lang Hüttenwart auf der Salbithütte. Was war für dich das Besondere an dieser Zeit – und fehlt dir der Hüttenalltag heute?
1984 habe ich die Salbithütte übernommen. Schon zuvor schwärmte ich in Gedanken: «Wenn ich je eine Hütte übernehmen kann, dann diese». Und plötzlich hat sich das tatsächlich ergeben. In den ersten zwei Jahren konnte ich noch keine Halbpension anbieten und verdienen konnte man nicht viel. Das änderte sich glücklicherweise bald, da es vermehrt aufkam, dass die Leute ebenfalls verpflegt werden wollten. Damals gab es viele Hüttenwarte, die diesen Beruf nicht aus Freude an den Bergen oder den Leuten machten, sondern eher wegen des Verdienstes. Ich wollte das anders angehen. Ab dem dritten Jahr habe ich sogar das Bier offen ausgeschenkt – als Erster in den Alpen. Das kam super an.
Ich habe sehr gerne Leute – und ich kann gut zuhören. Wenn Gäste kamen und eine Tour planten, konnte ich ihnen vom Einstieg bis zum Gipfel Informationen zu den Routen geben. Ich habe sie gerne beraten und ihnen geholfen, die passende Tour zu finden.
Ob ich den Hüttenalltag vermisse? Meine Frau war 23 Jahre mit mir oben, unsere beiden Kinder sind dort aufgewachsen. Für meine Familie war der Abschied hart – sie vermisst die Hütte bis heute. Aber für mich bedeutet das auch neu gewonnene Freiheit. Ich wohne heute in Olten, habe ein GA und bin schnell überall, ohne ins Auto zu steigen. Ich bin immer noch neugierig, entdecke gerne neue Wege und Routen – so habe ich einen grossen Teil der Alpen kennengelernt.
Die Jahre auf der Salbithütte waren wunderschön; ich habe viel gearbeitet, über 40 neue Routen eingerichtet und vieles verändert. Es war eine prägende und erfüllende Zeit. |
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Nun zum eigentlichen Thema: Alpinwandern. Was versteht man genau unter Alpinwandern – was gehört da alles dazu?
Für mich ist Alpinwandern eine Art Verschmelzung von einfachem Bergsteigen und Wandern. Es führt durch Gelände, das nicht durchgehend markiert ist – zum Teil muss man kraxeln, schmale Grate begehen oder wegloses Gelände durchqueren. Es bewegt sich meist im Schwierigkeitsgrad T4 bis T6. Eine klare Grenze zu ziehen, ist aber schwierig.
Ein Beispiel für eine typische Alpinwanderung wären die Barrhörner im Wallis. Heute sieht man dort öfters Leute, die in Trailrunningschuhen unterwegs sind. Das zeigt, wie sich das Alpinwandern verändert hat.
Oft starten die Leute von einer Hütte aus. Dabei sind der Hüttenwart und andere Gäste eine wertvolle Informationsquelle – trotz Handy und GPS. Die persönlichen Hinweise vor Ort sind oft entscheidend, vor allem wenn es um Verhältnisse oder Wegfindung geht.
Welche Herausforderungen gibt es beim Alpinwandern?
Gerade wenn noch viel Schnee liegt und dieser über Nacht gefriert, sollte man unbedingt Leichtsteigeisen dabeihaben. Schneefelder bilden eine der grössten Gefahren. Man könnte abrutschen oder weiss nicht, ob unter dem Schneefeld ein Bach fliesst oder ob der Schnee überhaupt noch trägt. Solche Risiken können durch gute Vorbereitung und passende Ausrüstung minimiert werden. Bergschulen bieten eine gute Möglichkeit, das nötige Know-how zu erlernen. Man kann sich einer Gruppe anschliessen und so erste Erfahrungen sammeln.
Steile Grashänge sollten nicht unterschätzt werden. Da sind gute, trittfeste Schuhe wichtig. Leichte Laufschuhe bieten da oft zu wenig Halt. Das zeigt sich zum Beispiel am Brienzergrat – er weist T5- und T6-Passagen auf, und trotzdem sind dort viele mit ganz leichtem Material unterwegs. Das kann andere verunsichern. Wichtig ist, dass man sich als Anfänger nicht mit erfahrenen Berggängern vergleicht. Man muss sich selbst gut einschätzen und die eigenen Grenzen kennen. Sicherheit geht immer vor.
Wie bereitet man sich am besten auf eine Alpinwanderung vor?
Eine gute Grundfitness sowie die Freude und Bereitschaft, sich im Gelände zu bewegen, sind zwei wichtige Voraussetzungen. Man ist Wind und Wetter ausgesetzt – das ist etwas ganz anderes als in der Kletterhalle. Zudem muss man bereit sein, Verantwortung zu übernehmen: Alpinwandern bedeutet oft, ohne Wegweiser oder markierte Pfade unterwegs zu sein. Man sollte sich deshalb mit Karte, Höhenprofil und GPS auskennen – und lernen, sich im Gelände zu orientieren.
Die Vorbereitung ist im Prinzip dieselbe wie bei einer Hochtour: Man plant die Route sorgfältig, informiert sich über Wetter, Verhältnisse und mögliche Gefahren. Wichtig ist auch die Selbsteinschätzung: Was traue ich mir zu? Wie gut kann ich mein eigenes Können einschätzen? Und: Niemals unter Gruppendruck über die eigenen Grenzen gehen – das kann schnell gefährlich werden.
Was für Ausrüstung braucht es für eine Alpinwanderung?Dem Schwierigkeitsgrad und den Verhältnissen der Tour angepasstes Schuhwerk, die technisch nötige Ausrüstung sowie witterungsgerechte Kleidung gehören zur Grundausstattung. Für eine allfällige medizinische Erstversorgung habe ich stets eine kleine Apotheke im Rucksack dabei. Wanderstöcke entlasten insbesondere bei langen Abstiegen die Gelenke.
Für mich gehört immer eine Karte dazu und ein guter Sinn für Orientierung. Auch das Wetter sollte man im Blick haben und vorbereitet sein, falls es plötzlich umschlägt. |
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Welche Alpinwanderungen hast du als nächstes geplant oder welche laufenden Projekte hast du? Ich mache weiter am Urner Alpenkranz. Die Route folgt ungefähr der Grenze des Kanton Uri. Dieses Jahr steht bereits die dritte Etappe an. Wir starten vom Furkapass aus, zuerst der Tessinergrenze entlang, über die Rotondohütte und den Pizzo Lucendro zum Gotthardpass. Von da an immer in Graubündner Grenznähe mit Übernachtungen auf Vermigel-, Tresch- und Etzlihütte ins Maderanertal.
Ich werde mit den gleichen Leuten unterwegs sein, welche auch schon die ersten zwei Etappen bewältigt haben. Insgesamt sind es vier Etappen, welche jeweils ungefähr eine Woche dauern. |
| Ich baue dabei bewusst Passagen ein, welche technisch etwas anspruchsvoller sind, wie zum Beispiel die Besteigung des Sustenhorns.
Der Kanton Uri ist ein Paradies für alpine Entdeckungstouren: Wilde, steile Täler, Gletschergebiete, aber auch liebliche Abschnitte – eine sehr abwechslungsreiche und spannende Gegend.
Unsere nächsten Durchführungen: |
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| | Grundkurs Alpinwandern im Rätikon |
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Die wunderbare und anspruchsvolle 4-Tages-Ausbildungstour führt uns via Schesaplanahütte auf die Schesaplana 2965m, und weiter auf dem Prättigauer Höhenweg via Schweizertor zur Lindauerhütte. Am vierten Tag wandern wir über das Drusator zurück in die Schweiz. Ein abwechslungsreicher Mix aus Anwendungstouren und Ausbildung zeichnet den Grundkurs aus. Das Alpinwandern ist mit besonderen Herausforderungen verbunden: Solide Kenntnisse in der Tourenplanung, Orientierung im Gelände und im Einschätzen von Gefahren sind unerlässlich für mehr Sicherheit und Spass am Berg.
Unsere nächsten Durchführungen: |
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Kletterzentrum Gaswerk: Sommerzeit ist Kletterzeit! |
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Kletterzentrum Gaswerk |
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Wir sagen uns du.
Wenn wir gemeinsam in den Bergen unterwegs sind, so sprechen wir uns mit du an. Diese schöne Tradition möchten wir schon vom ersten Kontakt an mit dir pflegen. Wir sprechen dich also auch am Telefon und im Mailverkehr per du an.
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