Wie viel Arbeit steckt eigentlich hinter einer Kletterroute? Bergführer Resu und Initiant des Vereins ReBolting geben Auskunft.

Wie viel Arbeit steckt hinter einer Routensanierung?

Beim Klettern fokussieren wir uns auf die nächste Bewegung, überlegen wo die Füsse zu platzieren sind und wie der nächste gute Griff zu erreichen ist. Die Bohrhaken, Stände und Tops im Klettergarten oder in der Mehrseillänge ermöglichen uns eine sichere Routenbegehung. Doch was steckt eigentlich dahinter?

Neue Kletterrouten zu erschliessen oder bestehende Routen zu sanieren erfordert viel Zeit und Hingabe. Bergführer Resu Leibundgut steht vor einem Grossprojekt, der Sanierung der Route «Märmelibahn» an der Eiger Südostwand. 850 Meter, 22 Seillängen in alpiner Umgebung: Wie der Bergführer eine solche Sanierung plant und wie die Route vor über 20 Jahren erschlossen wurde, liest du im Interview.

Der Verein ReBolting unterstützt nachhaltige Sanierungsprojekte und fördert den Erfahrungsaustausch zwischen Kletterern und Erschliessern. Der Initiant Raphael Schmid gibt Auskunft darüber, was es bei einer Sanierung zu beachten gilt und wie du bei der Erhaltung der Klettergebiete mithelfen kannst.

In der bergluft September Ausgabe dreht sich alles rund ums Klettern. Viel Spass beim Lesen und freue dich auf einen goldigen Kletterherbst mit Höhenfieber!


Über Biwak Experten, Kreativität beim Routenerschliessen und eine Badewanne mitten in der Eiger Südostwand

Die Berner Resu Leibundgut und Sacha Wettstein haben vor über 20 Jahren eine alpine Mehrseillänge von besonderem Stil an der Eiger Südostwand erschlossen. Aufgrund der vielen Wasserrillen in der Route tauften sie diese kurzum «Märmelibahn». Über drei Sommer hinweg, in den Jahren 1999, 2000 und 2001 wurde die Kletterroute am Eiger eingebohrt und wartet nun mit Schwierigkeiten von bis zu 6c auf Kletterer. In absoluten Zahlen sind das 850 Klettermeter, 76 Bohrhaken und 22 Seillängen. Auf halber Länge befindet sich ein Biwak, welches die Aufteilung dieses alpinen Unterfangens auf mehrere Tage ermöglicht.

Resu ist seit 1994 Bergführer bei der Berg- und Kletterschule Höhenfieber. Neben seiner Tätigkeit als Bergführer arbeitet er als Baumwärter und saniert Routen an abgelegenen Orten. Das nächste Ziel ist die Sanierung der «Märmelibahn» am Eiger.

Resu

Resu, du bist schon seit über 25 Jahren Bergführer und bei Höhenfieber mit dabei.Warum hast du dich damals fürs Höhenfieber Team entschieden?

Bei Höhenfieber waren immer viele starke Kletterer dabei. Als ich im Jahr 1992 die Ausbildung zum Bergführer Aspiranten bestanden hatte, waren bereits einige meiner Freunde im Team, so war für mich die Entscheidung klar. Auch die Kletterwochen in Südfrankreich waren einzigartig und definitiv ein Argument fürs Höhenfieber Team. Diese Wochen fühlten sich eher an, wie Bergsteigen mit Freunden statt mit Gästen, deswegen war das Konzept wahrscheinlich auch so erfolgreich. Unterwegs mit einer Gruppe Gleichgesinnter, jeden Tag klettern, untergebracht in einfachen Unterkünften und es herrschte immer eine gute Atmosphäre.

Eines deiner Hobbies ist Routensanieren. Was fasziniert dich an diesem Prozess besonders? Gehst du nicht lieber selbst klettern?

Ich bin ein bisschen ein Bastler. Das Routensanieren würde ich weniger als Hobby und mehr als eine Art Verpflichtung bezeichnen. Wenn wir als Beispiel die Route «Märmelibahn» am Eiger nehmen, welche relativ viel wiederholt wird, spüre ich eine gewisse Verantwortung. Einige der Haken könnten nach 20 Jahren nicht mehr sicher sein. Das Ziel einer Sanierung ist für mich somit nicht, dass eine Route nachher mehr Bohrhaken aufweist, sondern dass die vorhandenen Bohrhaken sauber platziert und von guter Qualität sind.

Die Sanierung der Märmelibahn: Herzensangelegenheit und Verpflichtung zugleich

Dein nächstes Sanierungsprojekt ist die erwähnte Märmelibahn am Eiger, mit 850 Klettermetern und 22 Seillängen. Wie planst du ein Projekt dieser Grössenordnung?

Resu: Uns erwartet eine logistische Herausforderung und wir haben uns lange überlegt, wie wir diese angehen wollen. Auch das Timing ist entscheidend, denn es darf nicht zu viel Schnee in der Route liegen. Wahrscheinlich müssen wir die Sanierung in zwei Anläufen durchführen. Zusätzlich müssen wir neues Biwakmaterial 11 Seillängen weit hinaufziehen, da das deponierte Fass mit dem Material, sprich Kocher, Schlafsack etc., letzten Sommer durch ein Missgeschick die 400 Meter auf den Challifirn runtergefallen ist.

Ein solches Projekt mit dem ganzen Sanierungsmaterial fühlt sich schon etwas wie eine Expedition an, aber wir haben bereits einige Ideen, wie wir die Routensanierung umsetzen können. Und wenn uns die Ideen ausgehen, klopfen wir bei Raphael an, er ist auch sehr kreativ.

Raphael: Resu ist ein Logistiker. Es gibt niemanden, der so viele Biwakplätze im Berner Oberland kennt, wie er.

Letztes Jahr haben wir zudem eine Route fertig eingebohrt, welche 1000 Meter lang ist, mit zwei verschiedenen Biwaks und Quergängen. Du hast bereits sehr viel Erfahrung mit solchen Grossprojekten. Ich habe bei deiner Sanierung der Märmelibahn ein gutes Gefühl.

Und konkret, wie geht ihr bei der Sanierung vor?

Resu: Wir werden die Route zu dritt sanieren: Einer klettert voraus und markiert, der zweite steigt nach, setzt die Haken und entfernt das alte Material, der Dritte ist am Sichern und zieht den Haulbag nach. Der untere Wandteil ist relativ flach und nicht ideal fürs Haulen. Da wird sich noch zeigen, wie gut wir vorankommen. Auch das Wetter spielt eine Rolle, es muss stabil sein und vor allem sollte nicht zu viel Schnee auf den Bändern liegen, da dies zu Steinschlag führen kann.


Du hast die Route vor ca. 20 Jahren über drei Sommer hinweg eingerichtet. Erzähl mal, wie war das damals?

Resu: Das war ungefähr die letzte grosse Route, welche wir von Hand gebohrt haben. Wir mussten nicht sehr viel bohren, da die Eiger Südostwand viele Wasserrillen aufweist, was das Legen von mobilen Sicherungen möglich macht.

Speziell ist natürlich die Grösse der Wand und wir wussten zu Beginn nicht, dass sich mitten in Route ein super Biwakplatz befindet. Das war ein wahrer Glücksfall. Eine weitere Unklarheit war, ob wir für alle Tage, welche wir fürs Einrichten benötigten, Wasser mitnehmen müssen, oder ob wir irgendwo in der Route Wasser finden würden. Auch da war das Glück auf unserer Seite. Ich nahm einen Duschvorhang mit, welcher als Liegeunterlage fürs Biwak dienen sollte. Als uns das Wasser ausging, haben wir diesen Vorhang in eine Mulde gelegt und genau in dieser Nacht kam ein Gewitter auf, was zu einer Badewanne voll Wasser führte.

Herzlichen Dank an Kletterlehrerin Franziska Fritschi für die Fotos ihrer Begehung der Märmelibahn am Eiger im Jahr 2018. Oben: Biwak, unten: Wasserrillen aka Märmelibahn.

Was hat sich seitdem in Sachen Materialien etc. geändert?

Resu:Wir haben damals zwar noch von Hand gebohrt, aber bereits mit den heute noch üblichen Segmentankern. Dabei brauchten wir zum Teil Anker mit kleinerem Durchmesser, damit es schneller ging und mit dem Material waren wir nicht gerade wählerisch. Heute verwenden wir durchgehend rostfreies Material, welches langlebiger ist.

Auf was wirst du bei der Sanierung der Märmelibahn achten?

Resu: Wichtig für uns ist es, den Charakter der Route durch die Sanierung nicht zu verändern. Wir sind uns einig, dass wir keine zusätzlichen Bohrhaken setzen werden. Die bestehenden werden wir erneuern und falls ein Bohrhaken nicht optimal gesetzt wurde, erlauben wir uns, dies bei der Sanierung anzupassen. Da wir die Route damals von Hand eingebohrt haben, sind manche Haken nicht an der optimalen Stelle. Von Hand Bohren setzt voraus, dass beide Hände frei sein müssen. Wenn die Wand steil ist, muss man sich mit einem Cliff fixieren und folglich dort bohren, wo man gerade am Cliff hängt. Das kann zur Folge haben, dass die Haken neben der Ideallinie liegen.

Die Bedingungen im Sommer 2021 liessen bis jetzt keine Sanierung zu. Resu und Co. werden diese wahrscheinlich erst im 2022 angehen können.

ReBolting: Wie alten Kletterrouten neues Leben eingehaucht wird

ReBolting unterstützt nachhaltige Sanierungen in den Klettergebieten der Schweiz mit bestem Material. Der Verein ist in den Regionen Jura, Berner Oberland, Waadt/Freiburg, Oberwallis und in der Zentralschweiz tätig. Neben der Förderung des Erfahrungsaustauschs zwischen Erschliesser und Kletterer soll die Klettercommunity auch für die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Klettergebieten und deren Absicherungsstil sensibilisiert werden. Auf der Webseite werden zudem Topos oder Routenauflistung der realisierten Projekte für alle zur Verfügung gestellt.

Raphael Schmid, Initiant von ReBolting spricht im Interview über die Ziele und die Struktur des Vereins.

Raphael, du bist Präsident des Vereins ReBolting. Erzähl mal, was macht ReBolting genau?

Grundsätzlich sind wir ein Zusammenschluss von Menschen, welche Routen erschliessen und sanieren. Ziel ist es, diese Leute zusammenzubringen und das vorhandene Netzwerk auszubauen. Die lokalen Kletterer sollen motiviert werden, um Verantwortung zu übernehmen und sich bei den Diskussionen zu beteiligen. Dies hat dazu geführt, dass sich in verschiedenen Regionen kleine Gruppen aktiver Mitglieder gebildet haben, welche bei ReBolting dabei sind, sich aber auf lokaler Ebene selbst organisieren.

Diese kleinen lokalen Gruppen erleichtern die Organisation des Vereins und so haben wir in den Regionen immer Spezialisten, sprich Locals, die Auskunft geben können. Das schafft Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig ist der Verein ReBolting auch sehr wichtig als zentrale Anlaufstelle für die Anliegen der Kletterer, sodass diese immer wissen, an wen sie sich wenden können. Gleichzeitig werden die Neuigkeiten auf der Webseite publiziert, sodass die Routen, welche saniert oder neu erschlossen wurden, auch für die Kletterer ersichtlich sind.

Weiter versuchen wir für die Routensanierungen das nötige Geld zu sammeln. So können diejenigen, welche den Aufwand auf sich nehmen und die Zeit in die Sanierung investieren, das Material von uns beziehen.


Sanierst du auch oft selbst Routen?

Ich habe früher viel saniert, Klettergärten und Mehrseillängen. Aber mittlerweile konzentriere ich mich mehr darauf, neue Routen zu erschliessen.


Was gilt es zu beachten bei einer Sanierung, welche Regeln gibt es?

Das Komplizierte beim Sanieren ist eigentlich, dass es gar keine Regeln gibt. Wir sind offen für verschiedene Ansätze und Ideen, wie eine Route saniert werden kann. Klar behalten wir gewisse Grundsätze bei, zum Beispiel werden die Erschliesser der Route vor einer Sanierung immer kontaktiert. So haben wir die Möglichkeit, mit ihnen über das Vorhaben zu sprechen und merken, was ihnen wichtig ist. Auch versuchen wir die lokalen Begebenheiten miteinzubeziehen, damit ist die lokale Kletterszene und der Charakter des Gebietes gemeint.

Wenn ich gerne eine Route sanieren möchte oder eure Unterstützung brauche, wie gehe ich da vor?

Alle Kletterer können bei uns mit einem Anliegen anklopfen. Der Verein ReBolting ist sehr gut vernetzt. So können wir bei Anfragen die richtigen Leute vermitteln und die Kommunikation untereinander in die Wege leiten.

Letztens hat uns beispielsweise ein Kletterer, der im Salbit klettern war, kontaktiert, dass die erste Seillänge in seinen Augen zu wenig Bolts aufweist. Ich habe diese Anfrage anschliessend weitergeleitet, worauf sich der Zuständige der Region bei ihm gemeldet und erklärt hat, dass dies der Charakter der Route sei und dieser Stil in dem Gebiet so gepflegt werde.

Es hätte aber auch sein können, dass ein Bolt fehlt oder diverse Schlaghaken der Route überwachsen sind. Dann hätte sicherlich etwas unternommen werden müssen.

Da wir als Anlaufstelle für solche Anliegen dienen, können wir die Kommunikation zwischen Erschliesser, Kletterer und Sanierer fördern und auch Konflikten vorbeugen. Denn statt einfach die Bohrmaschine auszupacken und die Route mit Bolts zu ergänzen, welche vom Erschliesser ein paar Tage später wieder entfernt werden, besprechen die Beteiligten die Begebenheiten gemeinsam.

Was macht ihr mit dem alten Material in der Wand?

Ich habe bei mir Zuhause ein kleines Museum und der Rest geht ins Alteisen. Ich versuche von jedem Hakenmodell, welches ich nicht kenne, eines zu behalten. Wir sind der Meinung, dass das alte Material bei der Sanierung sauber entfernt werden sollte. Wenn aus nostalgischen Zwecken beispielsweise bei einem Stand etwas in der Wand bleiben soll, kann das natürlich gemacht werden. Die Gefahr, dass Kletterer sich an den alten Haken sichern, muss einfach so gut wie möglich eliminiert werden.


Wie kann man euch unterstützen?

Das Beste ist natürlich, Gönner und Gönnerin zu werden. Du kannst auch unseren Newsletter abonnieren, sodass du über neue Projekte und Sanierungen informiert wirst. Auch kann einfach gespendet werden, entweder ein beliebiger Betrag oder auch ganze Routen.  

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