Im Klettern den nächsten Schwierigkeitsgrad zu erreichen kann eine komplexe Sache sein. Zum einen ist mentale Stärke gefragt und zum anderen Kraftausdauer und Maximalkraft.

Weisse Bergspitzen und Felsklettern an der Sonne

Der Herbst ist bereits im vollen Gange und in den höheren Lagen zeigen sich die Gipfel im weissen Schneekleid. Die kühleren Temperaturen bedeuten aber auch, dass in den tieferen Lagen perfekte Bedingungen fürs Klettern vorzufinden sind. Endlich wieder an der Sonne klettern!

Im Klettern den nächsten Schwierigkeitsgrad zu erreichen kann eine komplexe Sache sein. Einerseits ist mentale Stärke gefragt, andererseits Kraftausdauer und Maximalkraft. Das Bewegungsrepertoire zu vergrössern, Beweglichkeit und Körperspannung zu verbessern oder an der Technik zu arbeiten können dabei helfen, Fortschritte zu erzielen.

Angelina Bucher ist Kletterlehrerin und Expertin, was Trainingsplanung und Klettertechnik angeht. Ihr Rat ist uns sympathisch: «einfach klettern gehen». Im Interview erzählt sie über ihre Erlebnisse beim Klettern, die Ausbildung, Techniktipps für Anfänger und Fortgeschrittene, Klettergebiete, welche man unbedingt gesehen haben muss, und vieles mehr.


«Ich denke, klettern zu gehen, auszuprobieren und das Vertrauen zu haben, dass man es schafft, bringt einen weiter.»

Interview mit Kletterlehrerin Angelina Bucher

Angelina ist Kletterlehrerin und teilt ihre Leidenschaft für den Sport gerne mit ihren Gästen draussen am Felsen. Sie hat für jedes Niveau den passenden Tipp und weiss, wie sie Kletterer und Kletterinnen spezifisch fördern kann. Gleichzeitig arbeitet sie als Primarlehrerin und Shiatsu-Therapeutin. Mit diesen drei Standbeinen hat sie für sich die perfekte Kombination gefunden. Im Interview erzählt sie über die Ausbildung zur Kletterlehrerin, Tipps und Tricks fürs Klettern, die besten Klettergebiete und vieles mehr.

Angelina

Angelina, du bist Kletterlehrerin, Primarlehrerin und Shiatsu-Therapeutin. Wie sieht dein Alltag aus?

Als Kletterlehrerin bin ich zwei bis sechs Wochenende im Jahr unterwegs. Hauptberuflich arbeite ich als Primarlehrerin. Neben dem Unterrichten habe ich die Ausbildung zur Shiatsu-Therapeutin gemacht.

Die Kombination – als Kletterlehrerin mit Erwachsenen und als Primarlehrerin mit Kindern zu arbeiten – finde ich sehr spannend. Ich weiss, wie ich eine Person an ihrem aktuellen Standpunkt und Niveau abholen und gezielt fördern kann. Mein pädagogischer Hintergrund hilft mir auch als Kletterlehrerin.

Wie sieht die Ausbildung zur Kletterlehrerin aus und was war dabei dein Highlight?

Voraussetzung für die Ausbildung ist die Trainerstufe im Sportklettern nach Jugend+Sport. Diesen Kurs kann man nach dem Kursleiter machen. Anschliessend erhält man die Zulassung für die Ausbildung zur Kletterlehrerin, welche ca. zwei Jahre dauert. Dabei besucht man verschiedene Module im Bereich Coaching, Mehrseillängen, Natur und Umwelt, Sturzmechanik, Material und Rettung. Zudem macht man bei unterschiedlichen Kletterlehrern und Kletterlehrerinnen Praktikumstage.

Die praktische Prüfung findet in der Kletterhalle statt, wobei als Frau eine 7a+ Onsight geklettert werden muss. Onsight heisst, eine Route im ersten Versuch zu klettern, ohne die Route und die Bewegungsabläufe zu kennen. Man hat davor Zeit, die Route vom Boden aus zu betrachten und zu studieren.

In den Kursen trifft man auf Gleichgesinnte und kann die Freude am Sport teilen. Kletterer und Kletterinnen aus der ganzen Schweiz kommen zusammen, gehen gemeinsam an den Felsen und absolvieren die Kurse. Das Wiedersehen war für mich immer wieder schön und ein Highlight.

Was war für dich die grösste Herausforderung in deiner Ausbildung?

Klettern ist sehr abwechslungsreich und bietet viele verschiedene Möglichkeiten mit Mehrseillängenklettern, traditionellem Klettern, wobei selbst abgesichert wird, Bouldern und Sportklettern. In der Ausbildung steht vor allem die Leistung im Vordergrund. Der Schwierigkeitsgrad 7a+ muss sicher beherrscht werden. Für mich bedeutete dies zeitweise, dass ich den Fokus voll und ganz aufs Sportklettern legen musste, um zu trainieren und mir dieses Niveau auch in der Halle zu erarbeiten. So konnte es passieren, dass ich mich zu fest auf den Schwierigkeitsgrad fokussiert habe und die Freude am Klettern draussen in den Hintergrund geriet. Diese Freude zu bewahren, war für mich die Herausforderung.


Dieser Sommer war geprägt von sehr vielen sonnigen und heissen Tagen. Wo kletterst du am liebsten im Hochsommer?

Meist in nordseitigen oder höher gelegenen Gebieten wie zum Beispiel die Gastlosen, eine Kette markanter Kalkfelsen in der Westschweiz. Zudem durfte ich diesen Sommer viele neue Klettergebiete kennenlernen, wie rund um die Piansecco Hütte, wo es auch eine Vielzahl an Kletterrouten gibt, oder bei Leysin.

Im Frühling war ich in Wales am «Clean» Klettern, sprich die Routen sind nicht eingebohrt und man verwendet mobile Sicherungsmittel. Wir haben jene Routen geklettert, welche ästhetisch aussahen, der Schwierigkeitsgrad war uns egal. In Wales gilt eine eigene Kletterphilosophie und das Klettern ist vor allem auch mental anspruchsvoll. Dies stellte sich als super Training für alpine Touren in der Heimat heraus. 

Und wie sieht es im Herbst aus?

Den Herbst finde ich die schönste Jahreszeit. Man kann an der Sonne klettern, die Natur rund herum ist farbig, es ist nicht zu heiss und nicht zu kalt, einfach perfekt. Meist fallen die gemeinsamen Ferien mit Johannes auf die Herbstzeit und wir verreisen ins nahe Ausland fürs Klettern. Dieses Jahr geht’s nach Sardinien.

 

Welche Destination, findest du, muss jeder Kletterer, jede Kletterin einmal gesehen haben?

Wales! Die Kletterkultur ist einzigartig und die Routen müssen selbst abgesichert werden. Ganz anders als das Sportklettern bei uns. Auch die Verdonschlucht in Frankreich ist sehr schön. Und natürlich die ganze Innerschweiz als Granitkletterparadies: Salbit, Furka und Teufelstalwand. Die Gastlosen sind ebenfalls ein spannendes Gebiet. Aber egal wo man klettert gilt: Manchmal sind die Leute wichtiger als das Klettergebiet. Gute Gesellschaft macht jedes Klettergebiet zum Erlebnis.


Wie sieht grundsätzlich ein Kletterkurs bei dir aus?

Bei einem guten Kaffee werden zu Beginn die verschiedenen Erwartungen und Wünsche ausgetauscht und es lernen sich alle kennen. Anschliessend gehen wir ins Klettergebiet und machen einen Wissensabgleich, sodass alle auf dem gleichen Stand sind. 

Darauf bauen wir auf und tauchen Schritt für Schritt tiefer in die Klettertechnik ein. Mir ist bei Kursen wichtig, dass das Ziel klar kommuniziert wird und die Themen Punkto Sicherheit gut abgedeckt werden. Oftmals leite ich Grundkurse im Klettergarten. Ich gehe auf die spezifischen Bedürfnisse der Gäste ein und fördere sie individuell und ihrem Niveau angepasst. Im Klettergarten stehen eher Technikinputs im Fokus während bei Mehrseillängenkursen vor allem auch das Seilhandling wichtig ist.

Das Kursmaterial von Höhenfieber für die Kletterkurse ist dabei sehr hilfreich und bietet den Gästen die Gelegenheit, das Gelernte zuhause zu repetieren.


Kletterkurse Höhenfieber

Welchen Tipp würdest du einem Anfänger, einer Anfängerin fürs Klettern geben?

Einfach gehen: Viel klettern, verschiedene Gebiete und Felsarten kennenlernen, sowie die Bewegungsabläufe lernen. Auch sollte auf das körperliche Empfinden geachtet werden. Wenn einem zum Beispiel die Finger schmerzen, sollte eine Pause eingelegt werden. Für Anfänger ist es vor allem wichtig, das eigene Bewegungsrepertoire zu erweitern und Ausdauerkraft aufzubauen. Manchmal überlegen sich Kletterer fast zu viel, was die richtige Trainingsmethode sein könnte. Ich denke, klettern gehen, ausprobieren und das Vertrauen haben, dass man es schafft, bringt einen weiter.

Und Fortgeschrittenen, welche zum Beispiel einen höheren Schwierigkeitsgrad im Klettern erreichen wollen?

Irgendwann stagniert das Kletterniveau. Als Anfänger werden viele Fortschritte erzielt, die Technik verbessert sich schnell und auch die Kraft wird mehr. Aber zu einem gewissen Zeitpunkt wird ein Plateau erreicht. Vermehrt Bouldern gehen, kann dazu beitragen, dieses Plateau zu überwinden. Denn Bouldern hilft, das eigene Bewegungsrepertoire zu erweitern und mehr Maximalkraft aufzubauen. Auch Routen am Limit zu klettern und dabei zu stürzen, bringt einen dem nächsten Schwierigkeitsgrad näher. Körperspannung und Beweglichkeit sind ebenfalls wichtig fürs Klettern. Wenn man viel klettert, ist es wichtig, ein gutes Ausgleichstraining zu haben. Zum Beispiel kann Yoga die Beweglichkeit fördern und die muskulären Gegenspieler trainieren.

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